100 Neue Künstler
- Genre
- Kunst
- Autor
- Francesca Gavin
- Verlag
- Prestel
- Erscheinungsdatum
- 22.08.2011
Bewertung
, Nov 20113 / 5 Sternen
Zu haben bei:
Über das Scheitern hoher Ambitionen. Eine Schnupperstunde Gegenwartskunst sollte es sein. 99 mal Zappen, 2 bis 4 Seiten pro Hundertstel. 509 Abbildungen, 100 Kurz-Interviews, ein Vorwort, zurückhaltende und wenige Fragen, vor allem aber: Vielfalt und der Reiz des Neuen und Unbekannten. Eine Abenteuerreise mit Kleinstimpressionen, durch Galerien überall auf der Welt. Der Anschein des Anspruchs, erschien ansprechend. Doch zu hohe Erwartungen generieren Enttäuschung.
Leider! Denn, positiv gesprochen, findet sich wirklich für jeden Geschmack etwas. Wobei diese wenigen Entdeckungen, je nach dem Unbestreitbaren, sich lohnen. Ob sie jedoch den Preis ihres Erwerbs rechtfertigen, ist wohl von der jeweiligen Präferenz abhängig und somit ziemlich ambivalent. Ein mögliches, subjektives Ergebnis stellt sich wie folgt dar: 16 interessante Künstler und 4 wirklich gefällige: Marcos Castro (MEX), Louie Cordero (PHI), José León Cerrillo (MEX) und Steve Viezens (GER). Aus Sicht des Rezensenten geht die Gleichung, Ausbeute im Verhältnis zum Einsatz, betrüblicherweise nicht auf.
Das grundsätzliche Problem der Anthologie kommt auch hier zum Tragen. Dem ersten Blick folgt kein zweiter oder tieferer. Was bedeutet, dass, wenn der Ersteindruck nicht stimmt, all zu schnell das noch Unbekannte mit überblättert wird, da das Interesse bereits vor dem Entstehen zerstob. Auch ist die Wahl weniger Beispiele, welche für den Künstler stehen sollen, zwangsläufig wenig repräsentativ. Weil die Vielschichtigkeit dem Platzmangel, sowie den Kriterien des Wählenden zum Opfer fallen kann bzw. muss. Mithin dessen Sicht eine diktatorische Dominanz aufoktroyiert, welche sich dem Leser in ihrer möglichen Sinnhaftig- und Notwendigkeit nicht erschließen kann, wodurch er immer das Gefühl hat ihm würde mit dem Vorgeführten jede Menge vorenthalten.
Doch vom Allgemeinen zum Konkreten. Der Abdruck von einzelnen Standbildern, welche einer Performance oder einem Video entstammen, eignen sich wenig für Printmedien. Besonders wenn sie der Schlüssel zum Erschließen eines Werkes sein wollen. Die Aufnahme jener Künstler in dieses Buch erscheint daher als ein fairer, aber recht unglücklicher Zug. Für Werke, die aus dem Zusammenhang einer Reihe, eines Zyklus oder auch eines Triptychons gerissen werden, kann dasselbe gelten. Auch dies wird hier exemplarisch nachvollziehbar.
Interviews und das Zu-Wort-kommen-lassen der Schöpfer können ein guter Zugang zur Interpretation der Schöpfung sein. Potentiell ist dies eine gute Idee. Wenn die Fragen jedoch wenig konkret sind und nur eine einzige Spalte an Platz zur Verfügung steht, so wird alles Potential verschenkt. Besonders wenn die Künstler nicht wirklich etwas zu sagen haben, aber dennoch antworten, was oft der Fall ist, oder sie sich mit einem bedeutungslosen Schwall an (pseudo-) theoretischen Plattheiten versuchen aus der Affäre zu ziehen, was glücklicherweise nicht ganz so häufig ist.
Lediglich wenn die Künstler persönlich werden und über ihre Situation, ihre Gefühlswelt, über das was sie wirklich begeistert und ihre Erfahrungen sprechen wird es besser. Diese zu finden, zwischen den zuvor genannten, ist jedoch mühsam und frustrierend. Was aber auch an der Interviewerin liegt, welche wie folgt zu formulieren pflegt: „Was interessiert Sie an Masken (Geschichte, Collagen, monochromen Farben, Postern, etc.) ?“ oder „Was fasziniert Sie an Natur (Architekturprojekten, körperlichen Interaktionen, etc.) ?“. Auch das Vorwort ist von einer auffallenden Kürze und Inhaltsleere geprägt.
Was dazu führt, dass, bis auf die Qualität des Bilddrucks, alles in diesem Buch halbherzig wirkt. Man kann nur spekulieren ob der Autorin/Sammlerin/Interviewerin im Zuge der Arbeit einfach das Projekt etwas entglitten ist, ob sie die Lust oder die Kraft verließen, ob bereits die Konzeption ein Scheitern bedingt und ob Letzteres die erstgenannten Erscheinungen nicht zur Folge haben musste, weswegen der Autorin eventuell auch nur bedingt ein Vorwurf zu machen wäre. Schön ist keine der Annahmen und es macht gewiss keinen Spaß sie niederzuschreiben. Allein diese 336 Seiten zu lesen machten auch keinen Spaß. (Text: Thomas Treichel)